Camperleben auf Tasmanien.

15 11 2009

Ort: Tasmanien (AUS)
Zeitunterschied: +9 Std. MEZ
Wetter: Konstant wechselhaft

Tasmanien war für uns die Sahneschnitte in der australischen Kuchenauslage. Die Creme de la Creme sozusagen. Obwohl, schwer im Magen liegt einem die Insel südlich der australischen Kontinentalmasse nun wirklich nicht. Denn eigentlich müsste Tasmanien ein Stück Streuselkuchen mit wilden Waldbeeren sein. Natürlich, abwechslungsreich und mit einigen Erhebungen.

Wenn man nach Tasmanien kommt, wird einem vor allem Natur geboten. Es leben nur eine halbe Million Menschen auf der Insel und die gehören sicher nicht zu den coolsten und trendigsten auf der Welt. Aber Mutter Natur hat sich für Tassie wirklich etwas einfallen lassen. So gehören heute 20% der Insel zum UNESCO Welterbe, ein Nationalpark reiht sich an den anderen. In Tasmanien wurde in den 50er Jahren auch die erste Grünen-Partei gegründet. Die ist auch heute noch recht aktiv und erfolgreich, was hier und da aber auch auf Unverständnis stoßen kann. Die Minenstadt Queenstown z.B., deren Umgebung völlig abgeholzt und für den Bergbau urbar gemacht wurde, gleicht heute einer Mondlandschaft. Das finden einige lokale Inselbewohner so toll, dass sie den nachwachsenden Baumbestand vergiften wollten. Die Begründung: „Bäume gibt es überall, diese tote Landschaft nur bei uns!“. Bonjour Tristesse.

Um Tassie wirklich kennenzulernen, muss man mobil und flexibel sein. Und das geht am besten in einem Campervan. Spaceships gibt es keine auf der Insel, also haben wir alle Autoverleiher abgeklappert und in guter deutscher Schnäppchen-Manier bei Bargain Campervan Rentals zugeschlagen. Wir waren nur also richtige Camper. Zwei Wochen in einem Toyota Hiace Hitop Umbau mit kleiner Spüle, Kühlschrank, Gasherd und großem ausklappbaren Bett. Unser Leben on-the-road konnte weitergehen.

Zuerst ging es nach Port Arthur, um etwas von der neueren australischen Geschichte zu schnuppern. Port Arthur war eine der harten Sträflingskolonien für Wiederholungstäter, die zu Schwerstarbeit verurteilt wurden. Wer zuviel Blödsinn im Kopf hatte, wurde mit ordentlich Peitschenhieben gezüchtigt. Mitte des 19. Jahrhunderts war das die gängige Form von kleiner Bestrafung. Irgendwann kam man aber auf den revolutionären Gedanken, dass statt körperlicher Züchtigung, doch besser eine psychische Bestrafung angewandt werden sollte. Heute kann man die Überreste des Einzelgefängnisses besichtigen, in dem Totenstille herrschte und die Insassen absolut isoliert wurden, um ihren Weg zu einem gottesfürchtigen Leben zu finden. Es gab Redeverbot, die Delinquenten waren 23 Stunden am Tag in der Zelle eingesperrt. Wenn sie raus durften, dann nur mit Gesichtsmaske, um keinen visuellen Kontakt aufzunehmen, die Wärter schlichen mit lautlosen Slippern über die Gänge und wenn es in die knasteigene Kapelle ging, dann standen die Häftlinge in aufrechten Särgen. Wirklich gruselig. Und auch gruseliger als die geführte Geistertour, die wir am späten Abend durch die kleine Ruinenstadt gemacht haben. Da wurde uns dann von wissenschaftlich bewiesenen paranormalen Aktivitäten berichtet und ab und zu mal auf irgendeinen Tisch gehauen, damit wir uns auch ja schön erschrecken.

Weiter ging es nach Richmond, einem gregorianischen Vorzeigedörfchen, im Hintergrund immer blühende Landschaften wie auf einer Modelleisenbahnplatte. Tasmanien, das nach dem holländischen Entdecker Abel Tasman benannt ist, erinnert immer an eine Mischung aus schottischem Hochmoor, kanadischer Wildnis und den grasenden Schafen und Kühen, die man aus der Kerrygold-Werbung kennt. Oktober bedeutet auf der Insel Frühling und wir wurden nahezu erschlagen von der Blütenpracht der Sträucher und Wildblumen. Das eher kühle, feuchte Klima hatte große Teile der hügeligen Insel in einen riesigen Wald verwandelt und auch am Firmament schiebt sich immer eine Wolke ins Panorama. Tasmanien lebt von der Dramatik.

Wir fanden also immer wieder ein schönes Plätzchen, um unseren Camper abzustellen, an der Picknickstelle den Grill anzuschmeißen und lecker Bulettchen (ostdeutsch für kleine Frikadellen, Anm. d. Red.), Känguruh oder auch frisches Gemüse zu brutzeln. Wer gedacht hat, die kulinarische Vielfalt im Camperleben heißt die Entscheidung zwischen 3- und 5-Minuten-Terrine, der hat sich schwer getäuscht. Es wurde jeden Abend frisch gekocht und morgens Nutellabrot mit Meerblick gefrühstückt.

Die Route führte uns weiter entlang der Ostküste, vorbei an Walnussplantagen und Weingütern, nach Coles Bay am Freycinet Nationalpark, wo wir neben kurzen Ausflügen zu Sleepy Bay und dem Leuchtturm von Cape Tourville auch eine gepflegte 11 Km Runde hingelegt haben. Die Weinglas-Bucht war ein absoluter Traum, wir waren allein an Hazards Beach und während des Wanderweges entlang der Küstenlinie, der immer wieder durchs Gehölz führte, wurden wir argwöhnisch von Wallabies beobachtet.

Mehr Natur zu erlaufen gab es dann im Nordosten der Insel bei St Helens. Vor allem die Wanderung im Winifred Curtis Reserve war really beautiful. Entlang einer pittoresken Lagune ging es durch Wildblumenfelder, die in allen erdenklichen Farben schillerten. Frühling fetzt.

Wir bestaunten die kilometerlange Bay of Fires, die zu den schönsten Stränden der Welt zählen soll. Dort wurde dann auch direkt am Strand abgeparkt und genächtigt. Fast so schön wie am Rheinufer in Düsseldorf.

Und Tasmanien ist zwar ein relativ kleines Eiland und wenn man sich die Distanzen auf dem Papier anschaut, denkt man, dass die Insel an einem Nachmittag umfahren ist. Doch der Grand Prix de Tasmania führte uns durch unzählige Serpentinen und Haarnadelkurven mit immer neuen Schlaglochüberraschungen. Es waren oft nicht mehr als 60Km/h drin und so schaukelten wir uns eher gemächlich durch die Lande.

Trotzdem überall Roadkill. Tasmanien ist bekannt für sein reiches Tierleben, das am einfachsten tot am Straßenrand zu beobachten ist. Doch am schönsten ist so ein Tier ja doch lebendig und daher ging es – mit kurzen Abstechern in die recht tote Stadt Launceston und das Tamar Weintal – in den Narawntapu NP. Der Park ist bekannt für Pademelons, Wallabies und Forester Känguruhs, die es dann mit Anbruch der Dämmerung auch alle in Hülle und Fülle zu sehen gab. Man hat dann wirklich das ganze Gelände voll mit Gras fressenden Beuteltieren und wir freuten uns über diese Gesellschaft, da außer uns kein Mensch auf dem Springlawn Campingplatz seine nicht nur sprichwörtlichen Zelte aufgeschlagen hatte.

Ein wirklich seltsames Tier ist aber das Wombat. Es sieht aus, wie ein Hamster mit Bärenmaske, den man auf 20 L Bierfass-Größe aufgepumpt hat. Schon optisch wirkt die fette Fellwurst etwas plump, etwas tollpatschig und man merkt sofort: „Nääääää, der kann keine Integralrechnung“. Man verteilt ja gerne menschliche Attribute auf Tiere. Der listige Fuchs, die diebische Elster und jetzt eben das dümmliche Wombat. Nähert man sich einer Wiese mit grasfressenden Beuteltieren, machen sich sofort alle hakenschlagend aus dem Staub. Gesunder Fluchtinstinkt eben. Bis natürlich auf das Wombat, das solange nichts mitbekommt, bis man relativ kurz davor steht. Dann heißt es kurz Schreckstarre bis es den Tunnelblick einschaltet und sich schnurstracks in Richtung nächstes Gebüsch verdrückt, egal von welcher Richtung der potentielle Angreifer kommt. Auch als Mutter Wombat einmal mit Nachwuchs vor uns die Straße überqueren wollte, flüchteten sie nicht in den rettenden Straßengraben, sondern das Kleine versteckte sich mitten auf der Fahrbahn unter Muttern. „Survival of the fattest“ und nicht „Survival of the fittest“. Die Redaktion hat sich festgelegt, Gewinner in der Kategorie „Dümmstes Tier auf Wald und Wiese“: das Wombat. Ach und Wombat-Kot ist quaderförmig. Dieses Tier kann einfach nichts richtig machen.

Und dann Cradle Mountain. Das Highlight des Highlights Tasmanien. Irgendwie schien uns die Gegend an den Torres del Paine Nationalpark im patagonischen Chile zu erinnern. Es gab zahlreiche Seen in unfassbaren Blautönen, weiße Schneefelder, herrliche Wanderwege und wir hatten Glück mit dem Wetter. Der Cradle Mountain ist nämlich bekannt für eher ruppige klimatische Bedingungen. 260 Regentage im Jahr und 75% der Zeit wolkenverhangende Berggipfel. Wir dagegen hatten strahlenden Sonnenschein, angenehme Temperaturen und freie Sicht in einem Radius von mehreren Kilometern. So wanderte es sich doch gleich viel entspannter auch wenn es einige schwierige Passagen gab. Am Fuße des Cradle Mountains, entlang des Face Tracks, gab es Schnee in Hanglage zu überqueren. Und wir reden hier über mindestens 45% Steigung und der Schnee lag recht brüchig auf darunterliegendem Gesträuch. Wir mussten wie auf einem Drahtseil immer schön den einen vor den anderen Fuß setzen, denn der leicht ausgetretene Weg war gerade wanderschuhbreit. Das war dann schon etwas aufregender, vor allem wenn man mit dem kompletten rechten Bein im Schnee einbricht oder man mal eben etwas ausrutscht. Die 6-Stunden-Wanderung wurde aber ohne Verluste gemeistert und wir konnten uns auf dem nahe gelegenen Campingplatz beim abendlichen Kaminfeuer in der Küche aufwärmen. Nachts hatten wir vor allem auf dem westlichen Teil der Insel nur 2°C, da ist man gern auch mal drinnen.

Der Cradle Mountain NP hat ja eigentlich noch die Ergänzung Lake St Clair, denn der liegt an der südlichen Spitze des Parks. Wer irgendwann mal auf Tasmanien weilt und Langeweile hat, der kann die 70 Km in sechs Tagen von Nord nach Süd auf dem sogenannten Overland Track wandern. Die Strecke ist nicht wahnsinnig anspruchsvoll, nur das Wetter spielt nicht immer so mit.

Wir hatten leider keine Zeit und daher ging es mit dem Camper via Strahan nach Lake St Clair. Doch der Zwischenstop in Strahan hatte für projekt365 eine große Bedeutung. Wenige Tage vorher hatten wir uns entschlossen, die letzten Etappe des Projekts umzuändern. Während meiner Studienzeit lief auf Euronews immer ein Trailer des malayischen Tourismusministeriums in dem eine mandeläugige Asiatin immer sang: „Malaysia – Truly Asia“. Doch es kamen immer mehr Zweifel auf, ob das das wirkliche Asien sei. Was dagegen schon seit geraumer Zeit auf der Liste der noch zu besuchenden Länder nach Indien ganz oben stand, war Myanmar. Buuuuuuuuuuuuh, Militärdiktatur. Das darf man doch nicht unterstützen, vor allem nachdem der Hausarrest der bekanntesten Oppositionellen und eigentlichen Gewinnerin der Parlamentswahlen von 1990 Suu Kyi wieder verlängert wurde. Sie hatte zudem 2x zu einem Tourismusboykott ins Land aufgerufen, da man die Militärjunta nicht unterstützen dürfe. Doch die selbe Suu Kyi hat erst vor ein paar Monaten ihren Boykottaufruf widerrufen, da auch sie einsehen musste, dass die Tourismuseinnahmen der Regierung deutlich unter dem Drogengeld liegen, dass auf dem Weg nach China erwirtschaftet wird und vor allem kleine Familienunternehmen Schaden aus dem Boykott nahmen. Doch natürlich war nicht Suu Kyi der ausschlaggebende Grund, sondern das Land selbst und das gute Zureden von Anja und Pit. Die Visumsfrage ist auch geklärt und so geht es nun für 25 Tage ins Land der 1.000 Pagoden. Und das auch nur, weil wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. In Strahan konnten wir zufällig WLAN anzapfen und mal kurz Emails checken. Die Flüge hatten wir drei Tage vorher gebucht, doch zahlen mussten wir sie bis Tag X 11:00 Uhr Singapur Zeit. Es war gerade Tag X und 10:34 Uhr. Hektische Minuten folgten, es mussten Kopien von Pass und Kreditkarte online verschickt werden, diverse Buchungsvorgänge bestätigt und mit dem Reisebüro in Singapur telefoniert werden. Doch alles gut, Vollzug. Just in time.

Just in time war unser Auftritt am Lake St Clair dann allerdings nicht, denn es wartete trübes Regenwetter. So wurde aus einer geplanten Tageswanderung nur ein kurzer Ausflug und wir flüchteten weiter Richtung nächsten Nationalpark. Dieses mal Mt Field mit den Russell Wasserfällen. Die wurden dann natürlich auch besichtigt und noch ein zweites Mal bei einer Nachtwanderung durch gemäßigten Regenwald. Es war stockduster, nur hier und da ein Knacken und ein reflektierendes Augenpaar, was aber meist nur ein aufgescheuchtes Opossum war.

Tasmanien hat auch keine Jaguar, keine Tiger und auch keine Löwen. Obwohl, früher gab es auch einen Tiger, der die Gestalt eines Wolfes und die Zeichnung eines Tigers hatte. Der wurde aber schon erfolgreich ausgerottet, die letzte Photoaufnahme stammt aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Was es aber noch gibt, ist ein Teufel. Den Tasmanischen Teufel, den man vor allem aus ACME Cartoons, als gefräßigen Wirbelwind kennt. In echt sind die Teufel nicht größer als ein Dackel aber kleine aggressive Räuber, die gern nach allem schnappen, was in Reichweite ist. Doch sie sind schwer zu sichten, da sie hauptsächlich nachtaktiv sind. Doch kein Tasmanien-Besuch, ohne nicht mal einen Blick auf das Wahrzeichen geworfen zu haben. Und im „Something Wild“ Zoo war es dann soweit, der Teufel in Tiergestalt. Aber in freier Wildbahn wären uns die Racker dann doch lieber gewesen.

Unsere letzte Station war dann der südlichste Punkt Australiens. Das Südkap bei Cockle Creek, das man in einem leichten 2-Stunden-Fußmarsch erreichen kann. So waren wir für eine ganze Weile die südlichsten Menschen auf dem australischen Kontinent. Wir konnten die angeblich sauberste Luft der Welt einatmen, denn der Wind bläst kontinuierlich aus Süden, wo in 2.500 Km die Antarktis zu finden ist, oder aus Westen, wo man 19.000 Km überqueren müsste, um nach Südamerika zu kommen.

Ach wat schön war das Camperleben auf Tasmanien. Das beste von Australien kam zum Schluß.