Zurück.

25 04 2010

So. Der Drops ist gelutscht. Wir sind wieder zuhause. Seit dem 1. Februar schon. Mittlerweile ist April, 12 Wochen sind ins Land gegangen. Wir sind wirklich wieder zuhause. Nach exakt 365 Tagen. Projekt365 eben.

Voller Vorfreude schauten wir Ende Januar noch in Singapur auf den Wetterbericht für Düsseldorf. Es waren Temperaturen um die 0 °C und genau 0,0 Sonnenstunden vorhergesagt. Ach, na schön. Und wir wurden nicht enttäuscht. Menschen in dicke Kleider gehüllt, Mütze, Handschuhe, Schal. Die dominierenden Farben waren schwarz und grau. Irgendwie passend zum Seelenheil. Ernüchterung. Realität. Es gab wieder Ordnung, gewohnte Orientierung. Erste Anzeichen vom nur zu gut bekanntem Alltag. Es gab rote Ampeln, Menschen, die deutsch sprachen, privates Qualitätsfernsehen, Körnerbrötchen und Fußgängerzonen mit peruanischen Panflötenspielern. Und die ersten Tage war uns diese Welt vielleicht auch ein bißchen fremd wie eben unseren Freunden von der peruanischen Hochebene, nur machten wir nicht die Musik.

Nach 365 Tagen um die Welt, immer dem Sommer hinterher und die Sonne im Rücken, hatte uns Deutschland also wieder.

Nun war es ja nicht so, dass es nicht vorhersehbar war, dass es irgendwann mal vorbei sein würde. Aber jeder weiß auch wie schwer es ist, nach 3 Wochen Jahresurlaub wieder den Wecker klingeln zu hören, der Person im Spiegel nicht die Frage „Warum eigentlich?“ beantworten zu können, um dann doch schnell wieder im Hamsterrad des Alltags zu landen, damit alles wieder seinen gewohnten Gang geht. Was bleibt sind die Erinnerungen, der billige Zierfächer aus Thailand, der jetzt in der Küche hängt und irgendwie doch nicht mit der IKEA-Küche harmoniert und die unzähligen Photos von immer gleich aussehenden Sonnenuntergängen, auf denen das Meer abzufließen scheint.

Doch jetzt stellt euch mal 3 Wochen Jahresurlaub 24x hintereinander vor. Da kommt man nicht einfach wieder und alles ist wie immer. In nur 3 Wochen kann man den Job nicht aus dem Kopf bekommen. In 365 Tagen kann man sich aber einen Resetschalter leisten. Alles hinter sich zurücklassen und voll mit dem Flow des Langzeitreisenden zu gehen.

Dann kommt man auch nicht einfach zurück und alles ist gut oder einfach wie vorher. Natürlich haben sich Familie und Freunde gefreut, dass wir gesund und munter (na zumindestens gesund, Anm. d. Red.) wieder zurück sind. Aber hat uns denn mal jemand gefragt, ob wir uns freuen wieder da zu sein?

Fragen an uns gab es so einige:

Frage: „Na, war’s denn toll?“
Antwort: „Nein, es war eigentlich ganz langweilig, sehr gefährlich, manchmal wie Kerkerhaft und sehr entbehrlich, so ganz ohne Mettbrötchen und Online-Shopping.“

Frage: „Wo war’s denn am schönsten?“
Antwort: „Im weiteren Sinne außerhalb Deutschlands, im engeren hat uns Südamerika am besten gefallen. Einfach sehr vielfältig, es gibt ne Menge zu entdecken, die Eingeborenen, das Essen, die Farben. Australien war für uns die größte Enttäuschung. Bei tollen Reisereportagen wie Voxtours werden ja immer nur die Filetstücke gezeigt, es gibt aber auch eine Menge knorpeligen Abfall. Man kann ohne Probleme 1000 Km durch den Kontinent fahren und es passiert genau gar nichts. Gleiche Umgebung, gleiche Landschaft, kein Verkehr, keine Änderungen, stinkelangweilig. Warum dreht Vox nicht mal einen opulenten Dreiteiler (vielleicht ja mit Peter Jackson in der Regie, Wunsch d. Red.): „Australien – 1000 Km nichts“, sehen sie heute in der Primetime die ersten 333 Km mit Highlights wie eine kurze Pinkelpause, die Verwechslung eines verdorrten Baumes mit einem Känguruh und einem öden Hörbuch, dass sie direkt im Voxshop erstehen können. Neuseeland war aufgrund der abwechslungsreichen Natur beeindruckend und unsere Zeit mit Rosarka war großartig. Der Abschluß mit Myanmar war so ganz anders und wird noch irgendwann mal im Projektblog aufgearbeitet werden, wenn denn mal die Muse wieder küsst.“

Frage: „Hattet ihr denn nie Heimweh?“
Antwort: „Du meinst nach Schweinegrippe, Abwrackprämie und eine Albtraum-Koalition, die mehr nervt als Yoko Ono? Also nein, naja höchstens ab und zu Heißhunger auf heimatliche Kulinaria! “

Frage: „Freut ihr euch wieder hier zu sein?“
Antwort: „Nein“

Frage: „Und gewöhnt man sich schnell wieder an den Alltag“
Antwort: „Leider muss die Antwort hier „ja“ lauten. Mittlerweile fragt kaum noch einer nach der Reise, wir selbst müssen uns hier und da daran erinnern, dass wir 365 Tage unterwegs waren. Es scheint jetzt schon alles so weit weg zu sein. Soll jetzt nicht pathetisch klingeln, aber ich muss jetzt mal seufzen.“

Seit 12 Wochen sind wir nun also wieder zuhause. Eine gefühlte Ewigkeit. Wenn wir es nicht besser wüssten, würden wir meinen gar nicht weg gewesen zu sein.

Nach der Wiederkehr haben wir erst mal ausgemistet. Klamotten ins Obdachlosencafe und ins Franziskanerkloster gebracht. Erschreckend, was sich alles für Zeug angesammelt hatte. Wenn man 365 Tage aus dem Rucksack lebt, immer die selben Klamotten trägt und doch nichts vermisst, bekommt man doch den Spiegel unserer Überfluß- und Konsumgesellschaft vorgehalten. Am ersten Tag nach unserer Rückkehr hatte ich aus Freude über neue alte Sachen nichts aus dem Rucksack getragen, am nächsten Tag dann wieder komplett eine projekt365-Garnitur. Wohl aus Gewohnheit.

Eine Wohnung haben wir mittlerweile auch gefunden. Was Größeres. Mit kleinem Garten und Terrasse. Mitten in der Stadt gleich an der Nordstraße. Eine schöne Gegend. Eine schöne Wohnung. Wir wollen ja auch bald Couchsurfing-Hosts werden.

Nun beschäftigen uns Fragen wie die nach der Zierblende des Geschirrspülers, wie man bohrlochfrei eine Ablage im Badezimmer anbringt oder ob denn jetzt noch die richtige Zeit ist, um die Brombeere im Garten zu beschneiden („Hältst Du die Brombeeren nicht im Zaume, so kannst Du ernten nur im Traume“, Anm. d. Red.).

Oh eine Frage habe ich noch vergessen. Und zwar die ob wir es wieder machen würden. Wie hier die Antwort lautet, sollte wohl klar sein.

Der Blog und auch das Projekt werden mit den Myanmar-Beiträgen ihr Ende finden. Man sagte uns, dass es sonst sei, als würde man ein Buch ohne die letzten Seiten lesen.

Ob es wohl ein Happy End geben wird?

Achso, den Newsletter braucht ihr nicht abzubestellen, es wird keine Viagra-Mails oder eine Spendenaufforderung mit einer Kontoverbindung in Nigeria geben. Bleibt einfach dabei. Ganz im Stillen. Vielleicht passiert ja irgendwann mal wieder was. Vielleicht wird es wieder ein Projekt geben. So ein halbes Jahr von Mexiko nach Panama. Das wär doch was.

Danke, dass ihr dabei wart.

Nos vemos.

Dina & Matze





Ein bunter Fiebertraum.

19 02 2010

Ort: Singapur (SG)
Zeitunterschied: +7 Std. MEZ
Wetter: Drückend heiß

Nach neun Wochen Natur und wenig Stadt in Neuseeland, empfängt uns mit der 4,2 Mio Metropole Singapur eine neue Welt. Singapur? Dat war doch die Stadt, wo man für Kaugummi kauen an den Galgen kommt. Eine Wattebauschdiktatur, die jegliche Kontrolle in den Händen hält, der Bevölkerung aber gleichzeitig einen hohen Lebensstandard ermöglicht. Die Stadt, wo alles schön steril ist, Asien light sozusagen, ohne den ganzen Dreck und das Chaos anderer Millionenstädte wie Bangkok, Shanghai oder Kuala Lumpur. Eigentlich sagen alle, die man trifft und die schon in Singapur gewesen sind, dass 2-3 Tage vollkommen ausreichen würden. Es gäbe nicht viel zu sehen, nur Shoppingsmalls und wenig Kultur. Wir hatten vier Tage Zeit, um uns ein eigenes Bild zu machen, bevor wir für 24 Tage nach Myanmar reisen würden, um uns mal eine waschechte Militärdiktatur anzuschauen.

Zuerst mal hatten wir das Glück, nicht in einem Hostel absteigen zu müssen, sondern bei meinem alten Studienkollegen Sebastian und Freundin Jessica unterzukommen. Das hieß dann statt 200 m hohem Appartmentkomplex, ein zweistöckiges Shophouse mitten im Zentrum der Stadt. Diese traditionellen Geschäfts- und Wohnhäuser haben im Erdgeschoß Platz für einen Krämerladen, wobei in den 1-2 Etagen darüber komfortables Wohnen angesagt ist. Das hat dann Charme und man fühlt sich nicht wie eine Ameise ohne Namen, wie in einem der Hochhäuser, die links und rechts in den Himmel ragen. Damals in Luang Prabang galt noch die Bauvorschrift, dass kein Gebäude höher als die größte Palme im näheren Umkreis sein darf. Das kann man für Singapur nicht sagen, denn wir haben kein Gewächs gesehen, dass als Benchmark für die maximale Bauhöhe von 280 m herhalten könnte. Aber klar, Boomtown, viele Menschen, wenig Platz, da wird halt nach oben gebaut. Singapur sieht aus wie ein riesiger Spielplatz für Architekten.

Na, das klingt ja nicht so prickelnd mag der geneigte Leser meinen. Doch auch Singapur hat seinen Charm. Die Stadt ist nämlich Schmelztiegel der Kulturen, wobei Chinesen die Mehrheit der Einwohner stellen. Es gibt dann logischerweise Chinatown, aber auch Little India und das arabische Viertel. Singapur ist ein Gebräu aus unzähligen Nationalitäten und bietet eine überraschend facettenreiche Palette an Kontrasten.

Gerade eben flaniert man noch über die kilometerlange Orchard Rd, auf der es recht wenig Orchideen aber dafür umso mehr Shoppingmalls gibt, doch geht man nur wenige Straßen weiter taucht man plötzlich in eine Welt ein, die in den Straßen von Mumbai spielen könnte. Fort ist die glitzernde Konsumwelt der gigantomanischen Einkaufszentren und man ist im Gewusel von Tausenden Menschen, wie auf einem indischen Straßenbasar. Der Sonntagabend ist der beste Tag der Woche, um sich von den Gerüchen, Klängen und Bildern des indischen Viertels betäuben zu lassen. Unter der Woche ist für die vielen Inder Maloche als billige Gastarbeiter auf einer der vielen Baustellen der Stadt angesagt, es entstehen ja immer neue Wolkenkratzer und auch über 250 Shoppingmalls scheinen nicht genug zu sein. Doch am Sonntagabend trifft man sich zum Plausch in den Straßen, es gibt frisch zubereitete Köstlichkeiten aus ganz Indien und auch die Wocheneinkäufe werden auf den Märkten getätigt. Und es sind zu 90% Männer, die uns wenige Europäer anstarren, vor allem, wenn man wie wir in einem billigen Straßenimbiss mit Plastikmöbeln und Pappgeschirr isst. Doch es herrschte eine freundliche Atmosphäre und wir bekamen oft eines der berühmten indischen Lächeln geschenkt. Wir sind heiß auf Indien, auch wenn es auf dieser Reise leider nicht klappen wird. Indien braucht Zeit, mindestens 3 Monate. Wenn Matze nicht schon einen Job ab März angenommen hätte, wären wir nach einem Monat in der Heimat wieder in den Flieger gestiegen und nach Mumbai geflogen. Irgendwo habe ich mal gelesen: „Loving India is like kissing a princess through inch deep shit“. Wir hätten feuchte Tücher mitgenommen. Beim nächsten Mal.

Little India beherbergt auch das spannendste bzw kurioseste Shoppingcenter der Stadt. Das Mustafa Centre. 24 Stunden am Tag geöffnet, 365 Tage im Jahr. 14.000 qm und 1.200 Mitarbeiter. Auf sechs Etagen bekommt man alles. Wirklich alles! Von Mickey Mouse Bettwäsche über Holzkohle, von Lindt-Schokolade über billige Souvenirs, von Medikamenten über Kameraspeicherkarten. Allein in der dritten Etagen gibt es 61 Regalreihen. Man bekommt einfach alles, nur Autos verkaufen sie nicht mehr.

Und apropos Speicherkarten. In Myanmar wird die technologische Infrastruktur wohl noch auf dem Stand wie von 15 Jahren sein, was zwar auf den ersten Blick nicht allzu lang her erscheinen mag aber zu der Zeit war an WLAN noch nicht zu denken und ich hatte noch nicht mal eine Email-Adresse. Das bedeutet, dass wir unser Notebook nicht mit ins Land nehmen werden und wir keine Photos mehr herunterladen können. D.h. wir brauchen ausreichend Speichermedien. Wir also im Mustafa Centre und zu den Elektronikexperten. Es gab zwei verschiedene CF Kartenmodelle, wobei das teurere doppelt so viel kostete wie die andere Karte. Und wir wollten feilschen. Zu der teureren Karte hätte es eine Kameratasche dazugegeben. Doch wir wollten die billigere noch billiger. Aber wir hatten es hier nicht mit der Stadtwache zu tun, sondern mit Verhandlungsexperten, die man nicht verarschen kann. Auf die Frage, was er uns für die günstigere Karte für einen Deal anbieten könne, meinte er, dass er auch für diese eine Tasche oben drauf packen könne. Und zeigte mit einem süffisanten Lächeln auf die Plastiktüte des Fachgeschäfts. Wir waren sehr amused.

Im arabischen Viertel (Kampong Glam, Anm. d. Red.) kann man nicht nur hervoragend speisen, sondern abends auch in einem der vielen Cafés Shisha-Pfeifen rauchen. Im Mohd Razeen & Bros Café gibt es den vielleicht besten Teh Halia (eine Variantion des berühmten Teh Tarik, Anm. d. Red.) der Stadt, einem Tee aus Ingwer und Kondensmilch der kunstvoll ins Glas geschüttet wird. Aber in den Gassen rund um die Arab St gibt es auch einen Gegenpol zu den gigantischen Shoppingmalls. Es gibt viele kleine Boutiquen und Szeneläden mit ebenso kleinen Preisen, mit Modellen von lokalen Designern und Einflüssen aus ganz Asien.

In Chinatown gibt es neben den üblichen Kitsch-Lampions und Seidenhemden aber auch etwas für Leib und Seele geboten. Reflexzonenmassage. Das ist dann allerdings nicht so ein Entspannungsding mit Lavendelöl und Cafe del Mar CD im Hintergrund, sondern handfeste Arbeit. Der personifizierte Alptraum eines jeden, der eine Massage bekommen möchte, ist ja oft der folgende Typ Masseuse: eine 130 Kg schwere ehemalige bulgarische Gewichtheberin mit Warze am Kinn und leichtem Bartansatz. Dem 70-jährigen Chinesen, der eher in der Kategorie „Fliegengewicht“ einzuordnen gewesen wäre und einen halben Kopf kleiner war als ich, hätte ich mit Sicherheit nicht so viel Kraft zugetraut. Doch die Unterarme waren stahlhart und es war nicht gesagt, dass der schmächtige Greis nicht auch die Fünf-Finger-Pressur-Herz-Explosionstechnik aus Kill Bill beherrscht. Hui, hat das geknackt und geschmerzt. Leider konnte ich ihm auch nicht wirklich mitteilen, wo denn der Schuh drückt, da seine Englisch-Kenntnisse eher rudimentärer Art waren und das einzige Wort, was er wirklich konnte „Pain“ – also Schmerz – war.

So gibt es eben die verschiedensten Ecken in der Stadt, die auch ein Lehrbeispiel für Toleranz sein könnte. Denn es gibt in Singapur auch 140 Kirchen, Tempel und Moscheen, die manchmal sogar in relativ kurzer Distanz koexistieren, ohne dass Pogrome den Frieden der Stadt überschatten. Respekt.

Doch trotz vermeintlich hoher Lebensqualität ist Singapur erschöpfend. Das Klima zehrt. Das ganze Jahr über ist es konstant heiß und schwül, wobei der Mai der feuchteste und drückendste Monat sein soll. Tropische Hitze muss man mögen. Ohne Klimaanlage ist es kaum auszuhalten.

Und übrigens, Kaugummi kauen ist nicht verboten, nur wirklich kaufen kann man ihn nicht in S’pore. Heute kann man nur gegen Vorlage eines Rezeptes und seines Personalausweises „therapeutische“ Kaugummis in der Apotheke kaufen. Aber wenn man erwischt wird, wie man ihn nonchalant auf die Straße spuckt, drohen einem 8 Jahre Kerkerhaft. Mindestens.

Nach vier wohlbehüteten Tagen ging es dann weiter nach Myanmar. Reise in eine verlorene Zeit. Erwachen aus dem bunten Fiebertraum namens Singapur. Unsere letzte Etappe.





Geschmolzene Weihnachtsgefühle.

18 02 2010

Ort: Christchurch (NZ)
Zeitunterschied: +12 Std. MEZ
Wetter: Weihnachtliche 27°

„It’s a mess, it’s a mess“ („Es ist ein Chaos, es ist ein Chaos“; Anm. d. Red.) waren die Worte, die unser Couchsurf-Gastgeber Brandon immer wieder entschuldigend wiederholte. Und ja, in der Tat, das war nicht übertrieben, denn der Anblick, der sich uns auf dem großen Grundstück vor den Toren Christchurchs bot, war wirklich erbärmlich. Da standen zwei große Häuser nebeneinander, die darauf warteten verheiratet zu werden, doch die Liebesmüh schien keine Früchte tragen zu wollen. Der 57-jährige IT-Admin der Uni von Christchurch versuchte nun schon seit über 20 (in Worten: zwanzig) Jahren einzuziehen und Ordnung in die zwei Bruchbuden zu bekommen. Das totale Chaos, die beiden Gebäude schienen nichts anderes zu tun, als auf die Abrißbirne zu warten.

Doch wir waren nicht wegen schöner Landhausidylle und gebügelten Stoffservietten in die Stadt gekommen, sondern um Weihnachten zu feiern. Und zwar mit Freunden. Die Monkeys, Michi und Josef, waren nämlich auch „in da house“. Naja, eigentlich ja „in front of da house“, denn wir hatten bei Brandon die Möglichkeit auf dem Grundstück zu parken, unser Zigeunerlager aufzuschlagen und nach guter alter westeuropäischer Sitte ein Weihnachten bei 27°C zu feiern. Brandon hatte sich selber Freunde eingeladen und war somit vollkommen beschäftigt. So konnten wir ein eigenes Festmahl auffahren und uns gemütlich den ganzen Tag lang im Campingstuhl betrinken. Ach wat schön.

Leider mussten die Monkeys schon am 1. Weihnachtsfeiertag abreisen, da es für sie zum Jahreswechsel nach Sydney gehen sollte. Doch auch wir hatten noch so einiges auf dem Zettel stehen und haben uns nicht gerade gelangweilt.

So langsam aber sicher konnten wir den Countdown bis zur Abreise aus NZ immer lauter ticken hören und wir mussten doch noch Rosarka an den Mann oder die Frau bringen. Wir also schön Flyer gebastelt und von Hosteltür zu Hosteltür gefahren und Rosarka am Schwarzen Brett zum Verkauf angeprangert.

Die Resonanz war dürftig und so beschlossen wir für einen Tag nach Kaikoura zu fahren, was aber bei bedecktem Himmel nicht so zu überzeugen wusste.

Wieder zurück in ChCh und noch immer ohne wirklichen Kaufinteressenten ging uns so langsam die Muffe und wir kreuzten beim Backpacker Car Market auf, um mal die Lage abzuklopfen. Der eigentlich gar nicht so unsymphatische Vermittlertyp hatte dann eine gute und eine schlechte Nachricht für uns. Die gute war, dass wir mit Rosarka wirklich eine tschechische Prinzessin im Gepäck hatten, die deutlich über dem durchschnittlichen Niveau der gängigen fahrbaren Untersätze lag. So weit so gut. Freude. Die schlechte war dann aber, dass die Woche zwischen Weihnachten und Sylvester die denkbar schlechteste Woche des ganzen Jahres wäre, wann man sein Auto verkaufen möchte. Entweder sitzen die potentiellen Käufer noch zuhause bei Mutti und müssen den ganzen Tag Weihnachtsgans und Lebkuchen essen oder sie lassen es noch ordentlich über den Jahreswechsel in Sydney krachen. Das war also als würde man einen Halal-Imbiss mitten im Ramadan eröffnen. Scheiß-Timing.

Also Planänderung. Anstatt Rosarka schon ein paar Tage vor Abflug nach Singapur zu verschachern, beschlossen wir bis zum letzten Tag im Van zu übernachten und ihn dann zum Backpacker Car Market zu bringen, NZ$250 auf den Tresen zu legen und dann einfach abzuwarten bis sich der Wagen quasi von selbst verkauft.

Wir hatten uns also von der Sorge befreit und ab ging es auf die Banks Peninsula gleich umme Ecke. Da gabs ein schönes Tourikaff namens Akaroa, wo man mit allem Französischen eine schnelle Mark machen wollte und man schön den Eingeborenen beim Eis essen zuschauen konnte. Doch spektakulär war schon die Anfahrt. Rosarka ächzte auf ihrer letzten großen Tour für uns nochmal die Hügelkuppen hoch und runter und wir konnten die Aussicht auf die vielen Buchten der Halbinsel genießen. Fein, fein.

Zum Jahreswechsel erhofften wir uns etwas menschlichen Anschluß und so ging es ins Vagabond Hostel, wo wir für einen schmalen Taler nicht nur im Hof parken und auch schlafen, sondern auch die Küche und das Töpfchen nutzen konnten. Und ach, welch Überraschung. 90% der Hostelgäste waren der deutschen Sprache mächtig. Wir hatten ja vorher noch kein Hostel in NZ von innen gesehen, kannten den Spaß ja aber schon aus Australien. Jaja, in diese zivilisierten Länder lässt man die Kleinen gern auch mal alleine ziehen, um sich nach dem Abi die Hörner abzustoßen.

Dort lernten wir dann aber auch zwei nette Landsleute, Julie und Sebastian, kennen, mit denen wir dann auch beschwingt den Jahreswechsel feierten. Bei uns hieß die Devise wieder mal „Martini statt Böller“ und so ging es recht fein angehübscht in die Innenstadt, wo allerdings die Stadt ChCh ein großes Alkohol- und Rauchfreies Neujahrsfest auf die Beine gestellt hatte. Laaaaaaangweilig. Wir kamen gerade pünktlich zum Feuerwerk und dann nach spektakulären 30 Sekunden war dieses auch schon beendet. Ach, diese Wirtschaftskrise. Zum Glück fanden wir noch durch Zufall das „Le Petit Croix“, ein kleines französisches Bistro, das auch als Champagner-Cafe bekannt ist, wo wir noch gut versacken konnten.

Und Peng! 2009 war vorbei. Scheiße! Wir waren fast das ganze Jahr unterwegs, 11 Monate schon. Das sind 11/12 oder auch 92% von projekt365. Wir hatten Schweißperlen, die uns auf der Stirn standen. Sollte es denn fast schon vorbei sein? Wir waren doch noch gar nicht müde, noch gar nicht satt. Immer noch begierig nach neuen, aufregenden Abenteuern und Erlebnissen.

Aber wat willste machen. Fehlfarben sangen „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“ und Steppi sachte ja auch immer „Lebbe geht weider“. So also auch für uns.

Am 2. Januar war nun also auch das Kapitel Neuseeland Geschichte, wir brachten Rosarka schweren Herzens zum Car Market und es ging weiter nach Singapuritanien. Bis gleich also.





Alpenglühen.

9 02 2010

Ort: The Catlins, Dunedin, Otago Peninsula, Mt Cook (NZ)
Zeitunterschied: +12 Std. MEZ
Wetter: Wie immer in NZ

Nach dem imposanten Fjordland ging es über die südliche „Szenische Route“ (in Neuseeland scheint es mehr szenische Routen zu geben, als normale Straßen, Anm. d. Red.) nach Invercargill. Doch die rasterförmig angelegte Stadt strotzte nur so vor Langeweile und war daher nur ein logistischer Zwischenstopp, wo es günstige Vorräte aufzustocken galt. Das schönste an Invercargill war dann die Straße nach Osten, in die sogenannten Catlins, denn da sollte es als nächstes hingehen.

Die Catlins beschreiben das malerisch schöne Gebiet östlich von Invercargill bis nach Balclutha. Die Region kann Küstenlandschaft, kann Regenwald und kann wilde Tiere. Wir haben also an Waipapa faule Seelöwen im Sand liegend entdeckt, am südlichsten Punkt der Südinsel – am Slope Point – das obligatorische „Wir waren hier“-Photo gemacht, haben in der Curio Bay Gelbaugenpinguine beim abendlichen Bad inmitten eines 160 Mio Jahre alten versteinerten Waldes zugesehen (Gondwana live!, Anm. d. Red.) und immer wieder betont, wie putzig sie doch sind, haben die McLean Wasserfälle besucht und den Wilkie See, bis wir uns schließlich via staubigen Schotterstraßen über Cannibal Bay bis zum Nugget Point gearbeitet hatten, wo wir Pelzrobben bei der abendlichen Jagd beobachten konnten. Fein, fein.

Doch es gab auf der Strecke nicht nur rauhe Küste und viel Tierleben zu bestaunen, sondern auch ein ausgefallenes Kuriositätenkabinett. „The Lost Gypsy Gallery“ in Papatowai war voll mit kleinen mechanischen und elektronischen Gerätschaften, die wohl in die Kategorie „Dingsbums, Diverses und Verschiedenes“ fallen. Es war wie auf einem Spielplatz für Erwachsene. Ein Fahrrad auf dem man treten musste, um eine Simpsons-Folge in Gang zu setzen, raffinierte Apparaturen aus recycletem Material oder Müll, deren Einzelteile geschickt miteinander verzahnt worden waren und mit dem Dominoeffekt funktionierten oder das spektakuläre Klavier, wo jede Taste an ein neues sagenhaftes Instrument oder sonstige Geräuscherzeuger gekoppelt war. Unsere Augen leuchteten, wie die kleiner Kinder zu Weihnachten. Nur dass wir immateriellen Spaß geschenkt bekommen hatten.

In zwei Tagen hatten wir die Catlins dann abgefrühstückt und es ging weiter nördlich nach Dunedin (ausgesprochen wie Du-ní-dn, Anm. d. Red.). Dort wollten wir wieder Gelbaugenpinguine glotzen und auch mal einen Blick auf die mächtigen Königs-Albatrosse werfen. Aber leider musste man für beide Aktivitäten zahlen und auch nicht zu knapp, so dass wir uns einen Besuch der Tierkolonien auf der Otago Peninsula schenkten. Was es dann aber doch für lau gab, waren die 70 Zwergpinguine an der Pilot’s Bay beim Albatross Centre, die am Abend von der Arbeit nach Hause kamen. Den ganzen Tag wurde gefischt, denn im heimischen Nest wartete der Nachwuchs. Und der machte sich auch lautstark bemerkbar, als die Rückkehr von Mutter und Vater vernommen wurde. Es klang wie eine Riesenparty mit Pinguingezwitscher. Witzigerweise trafen wir noch Richie und Chris wieder, die wir beim Couchsurfen in Auckland kennengelernt hatten und uns einen Besuch bei Mt Cook nahelegten.

Aber vorher erst mal die Universitätsstadt Dunedin. Eine richtige Stadt, mit richtigen Menschen und Infrastruktur – die erste seit Wochen. Neuseeland ist nun wirklich nicht für seine urbanen Zentren berühmt und so verwunderte es auch kaum, dass eine der städtischen Hauptattraktionen die steilste Straße der Welt ist. Verrückt. Diese Neuseeländer haben es echt mit den Superlativen. Wir also hin und wir müssen gestehen, die Steigung sieht bedrohlich aus. Da Dina in der Nacht davor geträumt hatte, dass wir uns mit der alten Rosarka überschlagen würden, verzichteten wir eine Befahrung und stiegen zu Fuß auf. Allerdings kann ich heute auch nicht mehr genau sagen, ob die gute alte Dame die Steigung auch geschafft hätte.

Mit einem Zwischenstopp am windverwitterten Shag Point ging es weiter gen Norden. Flach und ziemlich gerade aus, an der Küste entlang. Wir passierten die mit blitzweißen Sandsteinbauten geschmückten Kleinstadt Oamaru und arbeiteten uns weiter Inland. Mt Cook entgegen. Auf der sonnigen Seite der Südalpen, mit einem Panorama der schneebedeckten Bergen im Hintergrund.

Am Fuße des größten Berges Australasiens bewanderten wir das Hooker Valley und es gab Schwarzbier von Monteiths (bestes Bier in Neuseeland, Anm. d. Red.) am Gletschersee, wo auch die allseits beliebte Weihnachts-Photosession abgehalten wurde. Was für ein feines Panorama. Am spektakulärsten war dann aber das Alpenglühen. Der majestätische Aoraki (Mt Cook in Maori, Anm. d. Red.), leuchtete in Rosa- und Purpurtönen, die man eigentlich für Photoshop-Fake halten müsste, ein Farbspektakel allererster Güte. Mit dem glimmenden Rücken des Drachen der Südalpen verließen wir dann das Mt Cook Dorf. Das klingt in erster Linie sehr stimmungsvoll aber die verrückten Kaninchen, die in 30-Sekunden-Intervallen kreuz und quer und vor allem scharenweise über die Straße in der Abenddämmerung rennen, machten unsere Rückfahrt zu einem sportlichen Slalomparcour.

Ja und dann war es plötzlich Weihnachten. Unsere letzten Tag in Neuseeland waren angebrochen. Unsere letzten Tage mit Rosarka. Und überhaupt ging es dann bedrohlich dem Ende von projekt365 entgegen.





Das Geräusch der Stille.

30 01 2010

Ort: Fjordland (NZ)
Zeitunterschied: +12 Std. MEZ
Wetter: Regenwahrscheinlichkeit 100%

Als Tu-te-raki-whanoa die Aufgabe gegeben wurde, die Küste des südwestlichen Neuseelands zu formen, sprach die göttliche Figur kraftvolle Beschwörungen und nahm sein mächtiges Beil, um die heute bestehende Fjordlandschaft aus den Felsen zu hauen. Er wollte sich schlängelnde Meeresarme modellieren, die Schutz vor der rauhen See und den stürmischen Winden des Westens bieten. Nach der alten Maori Legende begann er im Süden und wuchs quasi mit der Aufgabe, da er mit dem berühmten Milford Sound ganz im Norden Fjordlands Perfektion erlangte.

Heute zieht es bis zu 5.000 Besucher pro Tag in den berühmtesten Fjord Neuseelands und mindestens genauso großer Beliebtheit erfreut sich der 53,5 Km lange Milford Track, einer der großen Wanderwege NZ’s. Der war allerdings im November schon bis April ausgebucht, da die Übernachtungsplätze in den Hütten vor allem im neuseeländischen Sommer schwer gefragt sind. Das hörte sich aber auf jeden Fall ziemlich hektisch und zu gut besucht an und daher beschlossen wir, in den zweitgrößten Fjord, nach dem Dusky Sound – den Doubtful Sound – zu fahren.

Doch hier muss gleich mal etwas richtig gestellt werden. Zuerst mal ist der Doubtful Sound kein Sound (Sund oder Meerenge, Anm. d. Red.), sondern ein Fjord. Zumindest in der europäischen Bedeutung. Denn bei uns wird eine enge Meerestraße als Sund bezeichnet, hingegen ein Fjord ein überschwemmtes Tal beschreibt, dass durch Gletscheraktivität entstanden ist. So, da habt ihr es. Der Name Doubtful, also zweifelhaft, stammt von olle James Cook, der nicht in den Fjord segeln wollte, da er gerechtfertigte Bedenken hatte, dass der Wind ihn nicht wieder aus dem „Doubtful Sound“ heraustragen wird. Naja, eigentlich hat er es nur „zweifelhaften Hafen genannt“, er konnte ja nicht wissen, wie es weiter innen aussieht, aber wir wollen hier mal nicht zu sehr ins Detail gehen.

Selber fahren kann man dann im Gegensatz zum Milford Sound auch nicht bis direkt vor die Haustür, so dass man eine Tour buchen muss, um sich die spektakuläre Szenerie anzuschauen. Wir also mal wieder etwas Organisiertes gebucht, obwohl wir das ja so weit wie möglich vermeiden wollten. Doch für die 24-stündige Übernacht-Kreuzfahrt von Real Journeys gab es gerade ein Special und wir hatten zugeschlagen. Ein echter Schnapper.

Die Reise zum Fjord begann an einem Sonntag zu mittäglicher Stunde und führte uns zuerst über den Manapouri-See, der idyllisch vor den Kepler Bergen gelegen ist. Dann hieß es in einen Bus umsteigen und über den Wilmot Pass zur Deep Cove, dem Tor zum Doubtful Sound-Fjord-Ding. Verrückt, ein See, ein Pass und dann noch ein Fjord.

Nachdem uns das Wetter auf der Südinsel bisher ja eher eingenässt hatte, hatten wir uns auch für den Fjord keine großen Hoffnungen gemacht. Und wir wurden nicht enttäuscht. Begann die Fahrt auf dem Manapouri-See noch recht sonnig, ging es nach dem Pass schön in die dunstige Waschküche. Alles grau in grau, Regen und Hagel, Rheumawetter. Hört sich ja erst mal wieder ziemlich entmutigend an, war es aber nicht.

Es gab nämlich unzählige Wasserfälle. In diesen 24 Stunden an Bord der Navigator haben wir auf jeden Fall mehr gesehen als in unserem gesamten Leben bisher. Wasserfälle in allen Größen, bis zu 365 m hoch, Wasserfälle in versteckten Tälern, Wasserfälle, die wie aus blutenden Bergen rannen. Wasserfälle wohin man nur schaute. Voll fett, wie es in der Jugendsprache heißt.

Das Fjordland gehört zu den regenreichsten Regionen der Welt. Wer dachte Freiburg, unser Lieblingsbenchmark, hat mit 954 mm mittlerer jährlicher Niederschlagsmenge ordentlich Regen, dem sei gesagt, dass der Doubtfull Sound 6.000 mm hat. Das sind sechs Meter! Die Wahrscheinlichkeit Regen zu haben, war also von vornherein nicht die geringste.

Es hatte aber nicht nur geregnet und das war auch ganz fein, denn wir wollten doch auch mit dem Kayak den Fjord erkunden. Auf die Frage, wie nass man in der Regel beim kayaken wird, meinte Crewmitglied Warren, dass man normalerweise etwas Spritzwasser von den Paddeln auf die Oberschenkel bekommt und man durchaus überlegen könnte Schwimmshorts anzuziehen. Das stimmte dann auch, allerdings nur so lange wie es auch von oben trocken bleibt. Das tat es dann natürlich nicht lang. Aber auch im strömenden Regen war die Fahrt ein Erlebnis und wir konnten die Stille Jahrtausende alter Landschaften genießen, die zum größten Teil noch nie von Menschen betreten wurden. Dramatische Berglandschaften mit Wäldern die auf hartem Gestein nur eine dünne Schicht aus nährstoffreichem Humus haben und auf der vor allem Rot- und Silberbuchen, Baumfarne, Moose und Flechten wachsen. Eine Zeitreise in die Vegetation nach der letzten Eiszeit.

Innerhalb des Fjords war das Wasser meist spiegelglatt, doch je näher es gen offene See ging, umso rauher wurde es. Doch genau das wilde Wasser, dass die Felsen der Nee Insel umspült, finden die Pelzrobben super und haben sich dort niedergelassen. Und es gab auch putzige Dickschnabelpinguine zu sehen, die zu den seltensten der Welt gehören.

Doch es gab nicht nur wildes, weißes Wasser zu sehen. Im Doubtful Sound ist das Wasser nämlich nahezu schwarz. Auf dem Salzwasser liegt ein bis zu 3 m hoher Süßwasserfilm, der sich aus Regen und Schmelzwasser speist und durch die ausgewaschenen Tannine des Waldes so dunkel ist, dass das Wasser kaum Licht durchlässt. Dadurch können auch auch Tiefseearten im relativ flachen Fjord wachsen und gedeihen.

Des Nachts wurde ein ruhiger Seitenarm des Fjords aufgesucht und wir schliefen den Schlaf des Gerechten. Wenn wir nicht schliefen, wurden wir von der Crew verhätschelt, wo es nur ging. Aber man konnte auch merken, dass sie auch ordentlich Spaß hatten. Aber es gibt auch sicher schlimmere Arbeitsplätze als einen der schönsten Fjorde Neuseelands. Besser auf jeden Fall als der Beruf des Eimer-Entleerers im Cholera-Camp.

Der nächste Morgen brachte dann nochmals Dickschnabelpinguine, Sonne und natürlich Regen. Aber gerade diese Kombi bringt ja bekanntlich einen Regenbogen. Und dieses Mal gab es nicht so ein unprofessionelles Ding, sondern einen vollständigen Halbkreis. Ein kompletter Bogen. Very beautiful.

Mit dem Overnight-Cruise hatten wir nicht ins Klo gegriffen und den spektakulären Fjord in allen Zügen genießen können. Vor allem auch, weil wir das einzige Boot im riesigen Fjord waren. Natur exklusiv. Wir waren sehr amused.

Trotzdem wollten wir auch dem anderen Fjord einen Besuch abstatten. Wir also schön mit Rosarka einen Tagesausflug gemacht. Doch nicht nur der Milford Sound selber, sondern vor allem auch die Fahrt dorthin ist recht spektakulär. Man passiert riesige Lupinenfelder, die in allen Lila-, Violett- und Pinktönen blühen, vorbei an den Mirror Lakes, die so heißen, weil sie oft ein perfektes Spiegelbild der dahinter liegenden Bergkette namens Earl Mountains werfen. Man staunt über das grün und blau des Hollyford Flusses und über die alpinen Schneefelder am Homer Tunnel, der strichgerade für 1270 m in den Berg gehauen wurde.

Doch den größten Spaß hatten wir noch mit ein paar spitzbübischen und dreisten Keas. Ein Kea ist ein alpiner Papagei oder auch ein Bergpapagei. Das Federkleid ist eher langweilig grünlich-braun mit nur wenigen Farbtupfern. Doch öffnen sie ihre Schwingen, kann man die darunter verborgene Farbenpracht sehen. Der Schnabel ist nicht nur lang, sondern die Klappe ist auch groß, denn sie sind alles andere als scheu. Steht man also am Homer Tunnel, um auf das Grün der Ampel zu warten, wird man regelrecht überfallen und die Keas setzen sich auf Spiegel oder Dach und fangen an einem die Fensterdichtung anzuknabbern. Und nicht, dass man die frechen Federviecher so einfach los wird. Selbst wenn man Vollgas im Kreis fährt, lassen sie sich nicht vom Dach abschütteln und ihr lautes Krächzen klingt wie höhnisches Lachen.

Doch konnten wir im „zweifelhaften Fjord“ noch das Geräusch der Stille hören, war es im Milford Sound vor allem der Lärm der Hubschrauber, Bootsmotoren oder Flugzeuge. Die Atmosphäre, die der Doubtful Sound verströmte, wollte hier einfach nicht aufkommen, es war einfach zu busy. Natürlich wurden auf dem Uferland-Weg noch die obligatorischen Bilder vom spitz aufragenden Mitre Peak gemacht, bevor es dann wieder zurück nach Manapouri ging.

Wir hatten ein paar wirklich unvergeßliche Tage im Fjordland Neuseelands.





Abgeschnitten.

9 01 2010

Seit dem 6. Januar sind wir nun also in Yangon, der chaotischen 6 Mio Metropole im 47 Mio Einwohner Staat Myanmar.

Und wir sind abgeschnitten. Abgeschnitten von gmx.de und wordpress.com. Matze kann weder auf sein Postfach zugreifen, noch den Blog aktualisieren. Zum Glueck koennen wir Dina’s web.de Adresse nutzen, um wenigstens Kontakt mit der Heimatbasis halten zu koennen.

Die vom Militaer diktierte Online-Zensur scheint einige Email-Provider und Blogging-Plattformen sowieso auf der schwarzen Liste zu haben. Nur mit Hilfe von Zorro, dem schwarzen Raecher aus Usingen, koennen wir diesen Beitrag online stellen.

Die noch austehendene Berichterstattung zu Neuseeland und der Zwischenstation Singapur wird noch nachtraeglich erfolgen. Myanmar wird offline festgehalten, schoen altmodisch mit Stift und Papier.

In dem Land, dass nach seinen Einwohnern auch Burma genannt wird, gelten eben andere Regeln. Hier regiert neben der Militaerregierung auch das Chaos. Was in Singapur noch undenkbar war, ist hier an der Tagesordnung.

Auf den Strassen herrscht ein undurschaubares Gewusel an Menschen. Ueberall gibt es Strassenstaende, an denen u.a. Tierinnereien gereicht werden und die Gaeste auf kleinen bunten Plastikstuehlen und ebenso miniaturartigen Tischen essen. Man kann sich am Strassenrand aus der Hand lesen lassen oder mal eben eine kurze Massage verpasst bekommen. Brummende Dieselgeneratoren sorgen fuer einen Hoellenlaerm, denn immer wieder faellt der Strom aus. Schrottreife Autoimporte verpesten die Luft und sind ein staendiges Verkehrsrisiko, wobei die noch groesste Gefahr von den maroden Buergersteigen ausgeht, da diese einem Truemmerfeld gleichen.

Die Maenner tragen Wickelroecke, sogenante Longhis, denn Myanmar ist das letzte verbliebene Land in Suedostasien, wo noch mehr traditionelle als westliche Kleidung getragen wird. Viele Frauen und Maedchen haben eine Makeup-artige Paste namens Thanaka kreisfoermig oder eckig auf die Wangen aufgetragen. Die hellgelbe Farbe stammt vom Indischen Holzapfelbaum und soll nicht nur von der harschen Sonne schuetzen, sondern auch die Haut schoen geschmeidig halten.

Myanmar ist eine andere Welt, eine eigene Welt.

Am 9. Januar geht es mit Air Mandalay nach Sittwe im Westen des Landes, von wo wir ein Boot chartern werden, um ins entlegene Mrauk U zu gelangen, wo sich in einem guten Jahr nur 3.500 – 4.000 Besucher hinverirren. Der Rueckflug nach Yangon ist fuer den 15. Januar gebucht, denn am naechsten Tag geht es weiter mit dem Flieger nach Mandalay. Von dort werden wir uns dann wieder gen Sueden via Bagan und Inle Lake wieder nach Yangon arbeiten, um dann am 29. Januar nach 24 Tagen Myanmar wieder ins behuetete Singapur zurueckzukehren.

Doch jetzt kann erst mal unser letztes Abenteuer losgehen. Vielleicht eines der letzten Abenteuer in Suedostasien ueberhaupt.





Berge und Wolken. Vögel sind dort.

6 01 2010

Ort: Wanaka, Queenstown, Glenorchy (NZ)
Zeitunterschied: +12 Std. MEZ
Wetter: 1 Sonnentag pro Woche

Wanaka ist im Winter eines der besten Skigebiete in Neuseeland und die Sommer sind sonnig und heiß. Der Dezember bringt normalerweise 30°C und das klang vielversprechend. Die Anreise vom Fox Gletscher begann, wie nicht anders zu erwarten, nass. Die Überquerung des Haast-Passes war für uns nicht spektakulär, da sich die Sichtweite bei ausblickunfreundlichen 30 m einpendelte. Wieder mal dichte Wolken und Regen also. Doch mit der besagten Überquerung bewegten wir uns auf die andere Seite der südlichen Alpen und damit in den ersehnten Regenschatten. Als wir dann am Wanaka See ankamen wurden wir nicht enttäuscht, die Sonne schien und der Blick vom Lake Outlet Campingsplatz eröffnete uns ein herrliches Bergpanorama.

Wir also ganz aufgeregt zur Touriinfo und den Wetterbericht angefragt. Und prima, die nächsten fünf Tage waren Regen angekündigt. Dieses verdammte Regenwetter schien uns zu verfolgen. Und die Vorhersage hatte nicht zu viel versprochen. Wo am Vorabend noch Berge, See und Wälder zu bestaunen waren, war am nächsten morgen so eine dunstige Waschküche, dass alles hinter dichten Regenwolken verschwunden waren.

Wir also entnervt nichts wie weg aus Wanaka und ab nach Queenstown, der Fun-, Action- und Partyzentrale des Landes. Wir hatten aber eigentlich keine Lust auf Spaß und gute Laune mit spätpubertären Frühzwanzigern und daher ging es gleich weiter nach Glenorchy. Schon die Fahrt entlang des Wakatipu Sees war ganz fantastisch. Ach wat schön.

Die Gegend hinter Glenorchy diente für zahlreiche Herr der Ringe Szenen und man hatte in der Tat jeden Augenblick das Gefühl, dass der Ringträger und sein Gefährte Sam um die Ecke kommen und man zusammen ein kleines Pfeifchen mit Kräutern aus Hobbingen rauchen würde. Berge rechts und links, herrliche Seen, wie der Diamond Lake, Wälder mit Buchenbäumen drin und wilde Flüße mit dicken Steinsbrocken – wie im Westfernsehen. Toll, sogar die Sonne schien.

Eigentlich wollten wir ja auch den Routeburn-Track laufen. Drei Tage durch unbeschreiblich schöne Landschaften. Aber wir trauten dem Wetter nicht über die Runden und hatten im Vorfeld keine Übernachtunsgplätze in den Berghütten gebucht. Daher haben wir nur einen sportlichen Tagesausflug bis zur ersten Hütte gemacht und durchaus Appetit bekommen. Doch komplett werden wir ihn wohl erst beim nächsten Mal machen, wenn die globale Erderwärmung endlich mal für besseres Wetter gesorgt haben wird. Drücken wir die Daumen und sprühen etwas mit FCKW durch die Gegend.

Und als altes tschechisches Mädchen braucht Rosarka alle 1000 Km frisches Öl. Ich also die vordere Sitzbank umgeklappt und schön einen Liter reingekippt, um die betagten Lebensgeister des Motors frisch zu halten. Nach ca. 5 Minuten hatten wir 70 Sandfliegen im Auto. Wir hatten nämlich direkt am Ufer des Wakatipu Sees übernachtet. Dann nur noch Amok. Kill, kill und kill. Die Biester schienen überall und es dauerte eine ganze Weile bis alle platt waren. So schön es hier auch ist, die Sandfliegen können einem schon den Nerv für’s Genießen rauben.

Auf dem Rückweg nach Queenstown übernachteten wir dann auch noch am wunderschön gelegenen Moke Lake, der neben ein paar garstigen Sandfliegen auch noch ein sensationelles Spiegelbild der dahinter liegenden Hügelkette zu bieten hatte. Fein.

In Queenstown machten wir dann sogar noch mit Luke Leaf Bekanntschaft. Wir erinnern uns, der Jadeschmuck-Künstler, gebürtig aus Hokitika und Schöpfer von Matzes neuem Jade-Anhänger.

Doch auch Luke konnte uns nicht überzeugen in der hektischen und natürlich schon wieder regnerischen Stadt zu bleiben, und so ging es auf direktem Weg ins Fjordland. Doch das ist eine andere Geschichte.





Regen, Sandfliegen und dreckiges Eis.

1 01 2010

Ort: Westküste von Westport zum Fox Gletscher (NZ)
Zeitunterschied: +12 Std. MEZ
Wetter: Nasskalt mit vereinzeltem Sonnenschein

Das Rezept für nasses Wetter an der Westküste der Südinsel Neuseelands lautet wie folgt: Man nehme eine kleine isolierte Insel am Arsch der Welt, Westwinde, die somit lange ohne Hindernis über den Ozean fegen und sich mit Feuchtigkeit vollsaugen können und eine riesige Gebirgskette, die durch das Zusammenschieben der pazifischen und der polynesisch-australischen Platte entstanden ist – die südlichen Alpen. Regennasse Wolken kommen also aus Westen und sind so schwer, dass sie es nicht über die Berge schaffen. Und was passiert? Richtig, sie regnen sich ab.

Heute gibt es überall entlang der Westküste gemäßigten Regenwald mit üppiger Vegetation, viele Seen und Flüsse. Das sieht dann alles toll aus, es gibt aber eben verdammt viel Regentage und Wasser.

Wo wir dann auch schon beim zweiten und eigentlichen Problem wären. Sandfliegen. Die nervtötenden Sandfliegen sind eigentlich weibliche Kriebelmücken (so zumindest übersetzt Wikipedia Blackflies, Anm. d. Red.), die so gierig nach Blut sind, wie ein dehydrierter Vampir. Sie brauchen Süßwasser, um zu existieren und davon gibt es vor allem an der Westküste reichlich. Die kleinen Stechmücken treten auch nicht einzeln, sondern in Schwärmen auf, was die Sache nicht unbedingt entspannter macht. Sie sind die absolute Pest am Arsch (die Redaktion entschuldigt das explizite Französisch, Anm. d. Red.) und auf der Liste mit Insekten, die wir nicht leiden können, ganz oben.

Unser erstes Zusammentreffen gab es bei den Nelson Lakes, die zwar nicht direkt an der Westküste liegen aber eben alle Kriterien für ein schönes Zuhause für Sandfliegen erfüllen. Der pure Hass. Sobald sie einen entdeckt haben, fallen sie in Schwärmen über einen her. Ich hab sogar eine beim Reden verschluckt, weil das kleine Biest direkt in meinen Mund geflogen war.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Sie sind langsam, d.h. man muss in Bewegung bleiben. Das hat uns sogar zwei Stunden Wanderung auf dem Braeburn Track an den Nelson Lakes ermöglicht. Sie mögen keinen direkten Regen, weil sie da nicht fliegen können. Und sie können keinen Wind ab und verschwinden bei Nacht, da sie, um zu stechen, auf ihren Sehsinn angewiesen sind und im Dunkeln nichts sehen können. Ein entspanntes Szenario ohne Sandfliegen wäre dann also: Nachts, bei starkem Regen und Sturm. Super. Genau die Konditionen, die man sich wünscht, um Neuseeland zu entdecken.

Naja Meeresnähe mit etwas Wind reichte zum Glück auch und schon konnten wir in der Nähe von Westport an Cape Foulwind die rauhe Küste bestaunen und den einzigen Sonnentag der Woche genießen. Am Vorabend gab es sogar einen ansehnlichen Sonnenuntergang und der nächste Tag brachte einen kleinen Ausflug zu einer Pelzrobben-Kolonie. Da war vor kurzer Zeit Nachwuchs angekommen und die Racker krakelten wie kleine Menschenkinder aus vollem Halse. Noch bekloppter waren aber die Weka Vögel, die wie eine billige Kiwifälschung aus China aussehen. Statur und Farbe sind sehr ähnlich, nur ist der Schnabel zu kurz und der Schwanz zu lang. Und kleptomansich veranlagt sind sie auch noch. Die Wekas schlichen die ganze Zeit um unseren Tisch und versuchten etwas abzugreifen, wo es nur ging. Aber nicht mit uns.

Weiter ging es nach Punakaiki im Paparoa Nationalpark, der für die sogenannten Pancake-Rocks (Pfannkuchen-Felsen, Anm. d. Red.) berühmt ist. Bei wolkenverhangenem Wetter sahen die aber gar nicht appetitanregend aus und wir sind lieber durch den mit Nikau-Palmen verzierten Regenwald marschiert.

Der nächste Stopp brachte uns nach Hokitika, einem bedeutenden Zentrum für Jadeschmuck. Jade, oder auch Pounamu (Maori, Anm. d. Red.) oder Greenstone (die Engländer wussten es nicht besser, Anm. d. Red.) genannt. Schon bei den Maoris war der grüne Stein sehr beliebt und es wurden Schmuckstücke oder andere eher nützliche Gegenstände, wie todbringende Äxte, aus dem harten Material gefertigt. Heute gibt es in ganz Neuseeland eine große Schmuckindustrie und kaum ein Neuseeland-Urlauber fährt oher Schmuckstein wieder nach Hause. Aber so einfach wie es klingt, läuft es eigentlich nicht. Erstens hat jede geschnitzte Form eine bestimmte Bedeutung und zweitens kauft man sich nach altem Maori-Brauch den Anhänger nicht selber, sondern bekommt ihn von jemanden geschenkt. Und weil der Matze immer schön artig war, immer schön brav sein Bier ausgetrunken hat und es nach dem projekt365 neue Herausforderungen zu bewältigen geben wird, gab es von der lieben Dina einen Anhänger in Form eines Beils mit intergrierter Spirale. Koru, wie die Spirale in Maori heißt, steht für Neuanfang und ist jungen Farnblättern nachempfunden, die sich im Entwicklungsprozess ausrollen und somit voll entfalten können. Und damit es beim Neuanfang auch alles rund laufen wird, gab es das Beil (Toki in Maori, Anm. d. Red.) gleich dazu, denn dieses steht für Stärke und Kraft und soll helfen Herausforderungen zu meistern. Matze hat sich sehr über das blumenjadene Stück aus der Werkstatt von Luke Leaf gefreut. 2010 kann kommen.

Was dann aber erst mal kam, waren die Gletscher. Wir waren ja schon in Argentinien auf dem Perito Moreno Gletscher, was für uns ein absolutes Highlight der ganzen Reise ist. Herrlicher Sonnenschein, eisblaue Gletscherseen und Whisky on the rocks zum Abschluß. Und am Franz Josef und Fox Gletscher? Regenwolken und dreckiges Eis. Trotzdem war die Tagestour auf dem Fox Gletscher, namens „The Nimble Fox“, schon einzigartig. Zum einen reicht der Regenwald bis an den Gletscher heran und zum anderen gibt es steil aufragende Eisspitzen zu sehen. Und überraschenderweise schimmert das Blau des Eises auch bei geschlossener Wolkendecke. Trotzdem waren wir nicht so von den Socken, wie noch damals auf dem Perito Moreno. Und damals war ja sowieso alles besser.

Feister Sonnenschein wäre schon was feines gewesen aber davon gibt es ja an der Westküste leider nicht so viel. Überhaupt haben wir dieses Jahr einfach Pech mit dem Wetter. Auch der gemeine Neuseeländer jammert, dass es zu kalt und zu regnerisch sei für diese Jahreszeit. Was tröstet sind die Wettermeldungen aus Deutschland. Also dann, immer schön ans Streusalz denken.





Frohes Fest!

23 12 2009

Liebe Familie, liebe Freunde, liebe Daheimgebliebene,

es ist Ende Dezember und nicht ganz überraschend steht das Weihnachtsfest vor der Tür. Laut aktuellem Wetterbericht sieht es in der Heimat ja nach richtigem Winterwetter aus, Schnee, Matsch und Chaos. Toll. Die weiße Weihnacht kann also kommen. Wir wünschen also frohe und entspannte Weihnachten, einen vollen Sack mit schönen Konsumgütern und wir hoffen, dass sich Deutschland mit der festlichen Völlerei aus der Rezession fressen kann.

Bei uns ist es momentan etwas weniger schattig. Obwohl, so ein bißchen Schnee haben wir momentan auch. Allerdings nur auf Sichtweite ab etwa 3.000 m, denn wir sind mittlerweile in der Nähe von Mt Cook in den südlichen Alpen auf der Südinsel. In Bodennähe haben wir strahlenden Sonnenschein bei 24°C. Kann man machen. Auch zu Weihnachten. Wir wissen zwar noch nicht genau, wo wir Weihnachten sein oder was wir machen werden aber es wird irgendetwas mit Sonne, Flip Flops und kalten Mai Tais sein. Vergießt keine Träne, wir kommen hier schon klar.

Am 2. Januar werden wir dann Neuseeland nach 9 Wochen verlassen und der geneigte Leser wird bemerkt haben, dass da noch so einiges an Blogberichten aussteht. Die Redaktion zeigt sich beschämt und muss eingestehen, dass in letzter Zeit der Schlendrian eingezogen ist. Nach dem Tongariro Crossing ging es via Wellington auf die Südinsel in den Marlborough Sound und den Abel Tasman Nationalpark, wozu es heute auch einen aktuellen Bericht gegeben hat. Danach zog es uns die nasse Ostküste entlang bis runter ins Fjordland, wo wir dem Geräusch der Stille lauschen durften. Via Invercargill ging es dann durch die Catlins nach Dunedin und auf die Otago Peninsula, wo wir faule Pelzrobben und lustige Pinguine beobachten konnten. Und nun also Mt Cook, der höchste Berg (3.754 m, Anm. d. Red.) Australasiens. Berichterstattung folgt, einige liegen schon fertig in der Schublade, müssen aber noch durch’s Lektorat bei Frau B.

Anfang Januar fliegen wir dann von Christchurch via Sydney nach Singapur, wo wir uns für ein paar Tage eine gediegene Wattebausch-Militärdiktatur anschauen werden, bevor es dann nochmal ein absolutes Highlight geben wird. Myanmar. Unsere Pässe mit dem Visum sind gestern aus Australien angekommen und wir freuen uns endlich mal wieder auf gutes Essen, Geschichte und Kultur und interessante Menschen.

Am 3. Februar wird dann das Unvermeidliche passieren. Wir kommen wieder. Zurück. Zurück nach Deutschland. Zurück nach Düsseldorf. Zurück zu Familie und Freunden, zurück zu Altbier und Mettbrötchen, zurück zu Baustellen und pünktlich zum Karneval. Matze fängt am 1. März seinen neuen Job an alter Wirkungsstätte an. Der Alltag wird uns wiederhaben.

Doch bis dahin müsst ihr euch noch gedulden. Und damit ihr euch nicht so allein fühlt am Fest der Liebe, gibt es jetzt ein paar schöne (und weniger schöne) Schnappschüsse vom Fuße des Mt Cook.

In diesem Sinne: Frohes Fest und sicherheitshalber auch schon mal einen guten Rutsch,
Dina & Matze
Twizel, 23-12-2009





Biounsicherheit.

23 12 2009

Ort: Wellington, Marlborough Sound, Abel Tasman NP (NZ)
Zeitunterschied: +12 Std. MEZ
Wetter: Steife Brise, wechselhaft

Nach dem erfolgreichen Tongariro Crossing ging es auf geradem Weg in die Hauptstadt Wellington. Neuseeland ist ja bekannt für seine grünen Hügel, Regenwälder und Küstenlandschaften. Daher war das Stück Wüste vor der Kulisse des Ruapehue Vulkans mehr als überraschend. Allerdings war das keine richtige Wüste mit viel Sand, Kamelen und Oasen, sondern eher eine steppenartige Einöde. So lebensfreundlich, dass einzig das Militär die Gegend nutzt und mit Panzern lustige Manöver durchführt. Dazu kam ein so starker Westwind weiter im Süden, dass wir fast von der Straße geweht wurden.

Neuseeland ist ja aber auch bekannt für seine Bewohner. Es gibt mittlerweile null Moas (erfolgreich ausgerotteter großer Laufvogel, Anm. d. Red.), nur noch wenige 1000 Kiwis (Vogel, flugunfähig, nachtaktiv, mehr Säugetier als Vogel, Anm. d. Red.), 4,2 Mio andere Kiwis (gängige Bezeichnung für Neuseeländer hauptsächlich Nachfahren englischer Einwanderer und Maori, Anm. d. Red.), 8,8 Mio Rinder und 50 Mio Schafe. Es vergeht eigentlich kein Tag an dem man kein Schaf sieht. Man kann überall Wollprodukte kaufen, das Lammregal im Supermarkt ist gut gefüllt und durch’s ganze Land hallt ein Blöken.

Umso erstaunlicher ist, dass es noch eine Säugetierart gibt, die die Schafe zahlenmäßig übertrumpft. Es gibt nämlich 70 Mio Brushtail Opossums. Irgendwann im 19. Jahrhundert aus Australien eingeführt, vermehrten sich die Racker so schnell, dass sie heute die größte Plage darstellen. 20.000 Tonnen Vegetation pro Nacht fressen die nur nachtaktiven Biester, die aber auch ein riesige Bedrohung vor allem für einheimische Vogelarten sind, da sie die Nester leerräumen.

Neuseeland hat nämlich nur drei wirklich endemische Säugetierarten und das sind alles Fledermäuse (Pelzrobben, Seelöwen, Delphine und Wale mal ausgenommen). Der Rest, vom Igel über Opossum oder dem noch aggressiveren Räuber Hermelin bis hin zu Rotwild wurde alles vorsätzlich eingeführt. 80 Mio Jahre Isolation hatte Neuseeland zu einem Vogelparadies ohne natürliche Feinde gemacht, was sich mit der Einführung neuer Arten schnell änderte.

Wenn es heute einen guten Sommer gibt und die Bäume und Sträucher viele Nüsse und Samen produzieren, vermehren sich die Nagetiere. Die widerum werden von Hermelinen gefressen und ihre Population steigt bei schlaraffenlandartigem Nahrungsüberfluß. Alle sind scheinbar glücklich, die Nahrungskette scheint zu funktionieren. Kommt dann aber der Winter, gibt es weniger Nahrung für die sommergemästete Population der Nager und die Hermeline müssen sich nach alternativen Nahrungsquellen umschauen. Das ist der Moment, wo die Vögel ein Riesenproblem bekommen, da dann ihre Nester geräubert werden und auch die Vögel selber dem Räuber zum Opfer fallen.

Heute sieht man im ganzen Land Fallen für Hermeline und Opossums und es gibt kleine Inseln, die als Schutzgebiete „pestfrei“ sind. Neuseeland versucht der Lage Herr zu werden. Biosicherheit ist eines der größten Themen im Land, wobei aktuell aber eher von Biounsicherheit die Rede sein muss, da es schwierig ist eingeführte Arten unter Kontrolle zu bekommen. Ein kleinen Beitrag leisten aber auch die Touristen in ihren Campervans, denn es liegen gefühlt 1 Mio tote Opossums als Roadkill auf der Straße. Denn nun wissen wir ja: das einzige gute Opossum, ist ein totes Opossum.

All das gab es im sensationellen Nationalmuseum Te Papa (Our Place, Anm. d. Red.) zu erfahren. Und natürlich noch viel mehr. Es gab eine gute Einführung in die Maori-Kultur, eine temporäre Ausstellung über Jade als wertvollsten und bedeutendsten Stein der Maori, eine weitere Ausstellung über die pazifischen Wurzeln der neuseeländischen Kultur, viel Info und Anschauliches zu Geologie (mit Erdbebensimulator), Fauna (mit Riesentintenfisch) und Flora. Ein Museum, in dem man gut mal eine Woche verbringen könnte.

Wir hatten aber nur einen Tag, denn am nächsten Morgen sollte es mit der Fähre von Interislander von Wellington nach Picton auf die Südinsel gehen. In der Nacht hatte es uns und Rosarka schon ordentlich durchgeschüttelt, denn die starken Westwinde bliesen immer noch. Und das war kein guter Vorbote für die anstehende Fährüberfahrt. Die See war zwar verhältnismäßig ruhig aber draußen war es so diesig und regnerisch, dass man von einer der angeblich schönsten Fährverbindungen nicht viel mitbekam.

In Picton war nicht viel los, da mochte man nicht mal tot über den Zaun hängen und daher ging es direkt weiter Richtung Marlborough Sound. Der Wetterbericht hatte einen guten Tag für die nächste Zeit gemeldet und daher haben wir den Tag genutzt und schön die ganzen Buchten abgeklappert. Wir sind einen kurzen Teil auf dem Queen Charlotte Walkway gewandert, um die Aussicht auch von ganz oben mit 720° Panorama (man dreht sich mindestens 2x um die eigene Achse, Anm. d. Red.) zu genießen.

Und für die schönen Buchten ist auch der kleinste Nationalpark Neuseelands, der Abel Tasman, berühmt. Allerdings fetzt das nur so richtig, wenn das Wetter auch stimmt und die Sonne scheint. Tat sie aber nicht und wir wollten auch nicht so lange in der Region warten, bis sich mal ein Sonnenstrahl durch die dichte Wolkendecke traut. Aber wir waren schon mal in der Gegend und daher sind wir zuerst mit einem Bootszubringer, dem Abel Tasman Sea Shuttle, von Kaiteriteri nach Tonga Bay gefahren und dann die 13,6 Km bis Torrent Bay durch schönen Wald entlang der Küste gelaufen. Nett.

Wir hatten keinen so guten Start auf der Südinsel, was das Wetter angeht. Aber nun sollte es als nächstes an die Westküste gehen, die mit reichlich Niederschlag gesegnet sein soll. Sehr vielversprechend.